Betreff: | 3. Piste: Scharfe Kritik am VfGH Erkenntnis |
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Datum: | Thu, 6 Jul 2017 14:42:44 +0000 |
Von: | 14gegenFlieger <Office@14gegenflieger.at> |
An: | 14gegenFlieger <Office@14gegenflieger.at> |
Sehr geehrte Damen und Herren
Hat
die Lobby des Flughafens das Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes (VfGH) gelobt, so kommen aus
Fachkreisen nun kritische Stimmen.
Zwei Professorinnen für öffentliches Recht (WU Wien, Universität Graz) stellen im Rechtspanorama der „Presse“ dem Erkenntnis des VfGH in Sachen 3. Piste kein gutes Zeugnis aus:
Einfach gesagt, aufgrund der geltenden Verfassungs- und Gesetzeslage und der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) zum Luftfahrtgesetz kann es kein Eingriff
in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte sein, wenn das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Klimaschutz als „sonstiges öffentliches Interesse“ wertet, das dem Projekt 3. Piste entgegensteht.
Auffallend ist auch das enorme Tempo, das der VfGH völlig unüblich an den Tag gelegt hat. Warum die Eile, wenn der Flughafen nach eigenen Angaben die 3. Piste (wenn überhaupt)
erst 2030 in Betrieb nehmen will?
Der Bestellungsmodus für Verfassungsrichter ist ein politischer (siehe Homepage VfGH). Es gehört aber in einem Rechtsstaat zum guten Ton,
dass Verfassungsrichter – sobald bestellt und somit unabsetzbar – unabhängig von ihren politischen Mentoren judizieren.
Der VfGH hat sich bei der 3. Piste aber als verlängerter Arm der Regierung geriert und die Verfassungswidrigkeit in aller Eile „herbeigeredet“.
In Fachkreisen ist man davon ausgegangen, dass sich der VfGH für unzuständig erklären würde, während der VwGH sich die Sache genauer anschauen würde.
Flughafenvertreter ließen verlautbaren, dass sie beim VwGH „jedenfalls“ mit einer Aufhebung rechneten.
Nun hat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Rudolph Thienel, im Hinblick auf den in der Bundesverfassung und in der niederösterreichischen Landesverfassung verankerten
umfassenden Umweltschutz erklärt:
"Das ist keine Sonntagspredigt, sondern eine normative Vorgabe, die von den Gerichten zu beachten ist" (Interview wiedergegeben z.B. im Standard vom 24. April 2017).
Damit hat er durchblicken lassen, dass er Umweltschutz auch bei der 3. Piste ernst nimmt. Er wäre der Vorsitzende des entscheidenden Senats gewesen.
Das könnte den Verfassungsgerichtshof dazu bewogen haben, Thienel zuvor zu kommen, um abzuwenden, dass die Entscheidung gegen die 3. Piste beim VwGH möglicherweise doch hält.
Ins Bild fügt sich auch die Tatsache, dass ÖVP und SPÖ einen Antrag auf Verfassungsänderung gestellt hatten, womit der umfassende Umweltschutz im Verfassungsrang
durch eine Wirtschaftsklausel neutralisiert werden sollte. Der Antrag stand unter der Annahme, dass der VwGH das Erkenntnis gegen die 3. Piste aufheben würde,
sodass das BVwG im zweiten Rechtsgang an die neuen Verfassungsbestimmungen gebunden gewesen wäre. Der Antrag sorgte für einen Aufschrei vieler Professoren,
war der Plan in ein laufendes Verfahren einzugreifen doch so durchsichtig. Der Antrag auf Verfassungsänderung wurde zurückgezogen, der VfGH erledigte das Problem.
Abgerundet wird das Ganze durch eine mediale Inszenierung der Verkündung des Erkenntnisses, geleitet durch VfGH-Präsident Holzinger,
der die Richter des Bundesverwaltungsgerichts öffentlich wie Schulbuben rügte.
Nun ist der Akt wieder bei genau diesen Richtern, die viel über sich ergehen lassen mussten – bis hin zur Forderung des SPÖ-Justizsprechers Jarolim,
gegen sie ein Disziplinarverfahren einzuleiten, und strafrechtliche Anzeigen wegen Amtsmissbrauch durch Unbekannt.
Dabei haben sie nichts anderes gemacht als den unbestimmten Gesetzesbegriff „sonstiges öffentliches Interesse“ gemäß dem Bundesverfassungsgesetz Umweltschutz
(nunmehr BVG Nachhaltigkeit) und im Einklang mit der bisherigen Judikatur des VwGH im Sinne des Klimaschutzes auszulegen.
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in Sachen 3. Piste zeigt, wie fragil der österreichische Rechtsstaat ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Bürgerinitiative gegen Fluglärm in Wien West und Wienerwaldgemeinden