Lärm hat ein Mascherl

Immer mehr Menschen leiden in Wien unter Fluglärm – tatsächlich ist die Zahl der Flugbewegungen deutlich gestiegen

Wien – Lärm ist nicht gleich Lärm. Nicht nur, dass massive Geräusche in der subjektiven Wahrnehmung höchst unterschiedlich erlebt werden – sondern auch in der EU-Wahrnehmung. Röhrt etwa ein Auto durch eine Wiener Tempo-30-Zone, erzeugt es "Wiener Lärm". Wummert es hingegen über die Südost-Tangente, gibt es "Bundeslärm" von sich. Und wenn oben drüber die Flugzeuge röhren – dann ist das ebenfalls sozusagen ein "Bundeslärmen".

 

Foto: STANDARD/Regine Hendrich

 

Kritik an lauten Autoradios

 

 

Dies zeigte sich am Montag, als die Wiener ÖVP kritisierte, dass die Kommune bei Lärmmaßnahmen säumig sei: "Man ist nicht einmal in der Lage, die selbst festgelegten Fristen für die Erstellung einer Lärmkarte einzuhalten", so der VP-Umweltsprecher Roman Stiftner. Er forderte unter anderem "die sofortige Erstellung von Umgebungslärmplänen, die Erstellung gesetzlicher Grundvoraussetzungen zu einer Vereinheitlichung der Lärmschutzkompetenzen" – und: "Bei Autofahrern, die immer wieder ihre Autoradios zu laut stellen, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Autoradios zu plombieren."

 

Die "Lärmkarten"

"Wien ist beim Lärmschutz vorbildlich", meint hingegen die SPÖ in ihrer Gegenaussendung. Tatsächlich steckt hinter der derzeitigen Erstellung der "Lärmkarten" eine eher komplexe "Umgebungslärmrichtline" der EU aus dem Jahre 2002. Demnach müssen österreichweit "Lärmkarten" für die Bereiche Schiene, Straße und Luftfahrt erstellt werden. Anhand der darin festgestellten Grenzwertüberschreitungen müssen bis Mai 2008 "Konflikt- und Aktionspläne" erstellt werden.

Allerdings: Für die Erhebung des Flug- und Straßenlärms auf Autobahnen und Schnellstraßen ist der Bund zuständig. Die Stadt Wien ist lediglich für das Lärmen im untergeordneten Straßennetz zuständig. "Von unserer Seite wurden die Lärmkarten erstellt", erläutert Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Umweltschutzabteilung MA22 im Standard-Gespräch. Für die Veröffentlichung der Daten gibt es allerdings keine Frist seitens der EU. Und da die "Lärmkarten" noch nicht von allen Bundesländern vorliegen, wird abgewartet, bis die kompletten Ergebnisse vom Bund vorgestellt werden können.

Diese objektiv gemessenen Lärmwerte sind die eine Seite – die andere sind die von der Bevölkerung subjektiv erlebten Lärmbelästigungen. Und bei denen gehen die Werte seit einigen Jahren deutlich auseinander. Während Beschwerden über Lärmerregung generell leicht rückläufig sind, hat der Unmut über den Fluglärm massiv zugenommen.

Leiden am Fluglärm

Diesen Trend belegt auch eine Ifes-Umfrage von 2003: Demnach ist gegenüber 2005 das subjektive Leiden am Lärm generell um ein Prozent zurückgegangen. Im dicht verbauten Stadtgebiet fühlen sich 20 Prozent der Bevölkerung von Lärm belästigt – im restlichen Wien sind es nur halb so viele. Gaben jedoch 1995 noch zehn Prozent den Fluglärm als störend an, waren es 2003 schon 18 Prozent. Allerdings: Vom Autolärm fühlen sich 31 Prozent gestört; Moped- und Motorradlärm finden 32 Prozent unerträglich.

Auch hier gibt es regionale Unterschiede: Innerstädtisch leiden mehr Menschen am Kfz-Verkehr – im 5. Bezirk ist das immerhin fast die Hälfte der Bevölkerung. In den Stadtteilen unter den Einflugschneisen des Flughafens klagen hingegen 30 bis 40 Prozent der Einwohner über Fluglärm. Betroffen sind vor allem die Menschen im 22. Bezirk sowie in Teilen der südlichen Bezirke (5., 6., 10. bis 15., und 23.).

Dichter Flugverkehr

Dahinter steckt allerdings nicht nur eine höhere persönliche Sensibilisierung: Allein in den Jahren 2001 bis 2003 sind die Flugbewegungen über Wien von 185.425 auf 197.089 gestiegen. Die Flugzeuge brummen allerdings auch nicht aus Spaß an der Freude: Die Passagierzahlen vom Vienna International Airport sind im gleichen Zeitraum von 11,9 auf 12,8 Millionen gestiegen. (frei, DER STANDARD Printausgabe, 2.10.2007)